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Kamera: Rob Gnant

Ton: Robert Boner

Schnitt: Richard Dindo (Supervision: Fredi M. Murer)

Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm „Earth of Spain" von Joris Ivens

Produktion: Richard Dindo

Finanzierung: EDI (Sektion Film) und Eigenleistungen Richard Dindo

Uraufführung: Solothurner Filmtage, 1974

 

 

 

Schweizer im spanischen Bürgerkrieg (1973)

 

 

80 min, Farbe

Porträts von Schweizern und Schweizerinnen, die zwischen 1936 und 1938 in den internationalen Brigaden kämpften, um die spanische Republik gegen den faschistischen Aufstand von General Franco zu verteidigen. Es waren damals ca. 800 Schweizer und Schweizerinnen in Spanien, etwa 200 von ihnen sind gefallen.

 

Die Idee zu diesem Film gab mir Martha Farner, der er auch gewidmet ist. Sie sagte mir eines Tages: „Ich kenne einen Spanienkämpfer; du musst unbedingt einen Film über ihn machen.“

 

Die filmische Idee war, die Porträtierten in fixen Bildern in ihrer Umgebung zu zeigen, vor allem an ihren Arbeitsplätzen, mit Vorder- und Hintergrundsituationen. Im Vordergrund sie selber, im Hintergrund die Aussenwelt. So wurden sie mit diesen Bildern quasi „auf die Bühne der Schweizer Geschichte“ gestellt, d. h. der Film gibt ihnen eine physische Präsenz in dieser ungeschriebenen Geschichte. 

 

Man muss wissen, dass diese Spanienkämpfer zur Zeit des Bürgerkrieges sehr junge Männer waren, die meisten von ihnen waren knapp über 20. Der Jüngste, der Tessiner Enzo Morenzoni, war sogar erst 16 Jahre alt, als er nach Spanien zog. Was mich an den Satz von Stendhal erinnert, dass die Jugend die Zeit des Mutes ist.

 

Die „Partei der Arbeit“ war nicht begeistert von diesem Film. Die Tatsache, dass darin auch ein trotzkistisches und ein anarchistisches Ehepaar zu Wort kommen, hat gewisse Leute genervt. Die Partei lebte damals immer noch in der stalinistischen Tradition, dass Trotzkisten „faschistische Agenten“ seien. Auch mit Anarchisten konnten sie natürlich nichts anfangen. Dabei waren es doch die Anarchisten der CNT-FAI Gewerkschaft gewesen, die den bewaffneten Widerstand gegen den Putsch von Franco begonnen und damit die Republik vorübergehend gerettet hatten.

 

Die Mehrheit der Spanienkämpfer war ursprünglich Mitglied oder Sympathisant der kommunistischen Partei der Schweiz gewesen, später „Partei der Arbeit“. Einige von ihnen wurden in den 50er- und 60er-Jahren ausgeschlossen, viele gingen im Laufe der Jahre von selber.

 

Ich ging natürlich davon aus, dass in meinem Film alle politischen Richtungen innerhalb der Republik zu Wort kommen müssen, nicht nur aus Prinzip, sondern auch, weil dies erlaubte, die politischen Konflikte innerhalb des republikanischen Lagers besser zu verstehen, die ja wahrscheinlich einer der Gründe für die Niederlage der Republik gewesen waren. Auch ging es mir zuerst einmal einfach darum, diesen Männern und Frauen mit dem Film ein „Denkmal“ zu errichten, unabhängig davon, in welcher Partei sie damals gewesen waren.

 

Nach dem verlorenen Krieg in die Schweiz zurückgekommen, wurden die Spanienkämpfer von Militärgerichten, in denen vor allem in Zürich nazifreundliche Offiziere sassen, zu mehreren Monaten Festungshaft verurteilt. Sie verloren ihre bürgerlichen Ehrenrechte, was sie ganz besonders verletzt hat, und trotz mehreren, jahrzehntelangen Versuchen von sozialdemokratischer Seite, wurden sie vom bürgerlichen Nationalrat zu ihren Lebzeiten nie rehabilitiert. Die Rehabilitation fand... 2009 statt, als alle Spanienkämpfer tot waren.

 

Dies ist kein Ruhmesblatt in der Geschichte des Schweizer Parlamentarismus, diese dickköpfige Unversöhnlichkeit und Respektlosigkeit Landsleuten gegenüber, die ihr Leben riskiert und zum Teil sogar verloren haben, um einer demokratisch gewählten Regierung und einem Volk in seinem Kampf gegen den Faschismus zu Hilfe zu eilen und die damit in Sachen „spanische Republik“ die Ehre der Schweiz gerettet haben.

 

Die Haltung des Nationalrates den Spanienkämpfern gegenüber erinnert auch daran, dass der Bundesrat die erste Regierung nach jener von Hitler und Mussolini war, die das Regime von Franco de facto anerkannte, und dies noch bevor die Hauptstadt Madrid gefallen war.

 

Während des Zweiten Weltkriegs verbrachten die Spanienkämpfer etliche Monate im Aktivdienst. Nach ihren Einschätzungen und praktischen Erfahrungen waren etwa ein Viertel ihrer Offiziere Nazis oder Nazi-Sympathisanten. Gewisse dieser Offiziere hatten den Spanienkämpfern gedroht, wenn die deutsche Armee in die Schweiz einmarschiere, sie entweder sofort erschiessen zu lassen oder den Deutschen auszuliefern. Die Spanienkämpfer waren deshalb entschlossen, sich im Falle eines Einmarsches der Deutschen in die Berge zurückzuziehen und dort einen Partisanenkrieg auf die Beine zu stellen. Ihr politisches und militärisches Vertrauen in die Schweizer Armee, vor allem in ihre Offiziere, war verständlicherweise nicht sehr gross.

 

Nach dem Krieg war es den Spanienkämpfern unmöglich, Arbeit zu finden. In den Fabriken und Betrieben wurden sie als „Kommunisten und Spanienfahrer“ auf eine schwarze Liste gesetzt. Sie mussten deshalb irgendwelche Kleinbetriebe gründen, um ihren Lebensunterhalt verdienen und ihre Familien ernähren zu können.

 

Auf dieser „schwarzen Liste“ waren allerdings nicht nur Spanienkämpfer, sondern die meisten linksorientierten und politisch engagierten Arbeiter und Gewerkschafter jener Zeit.

 

Von den Medien, vor allem vom Schweizer Fernsehen, völlig missachtet, hat es diesen Film gebraucht, um diese ehrenvollen und heldenhaften Schweizer und Schweizerinnen ins öffentliche Bewusstsein zurück zu bringen.

 

Die Zürcher Stadtregierung hatte sich jahrzehntelang hartnäckig geweigert, zu Ehren der gefallenen Spanienkämpfer eine Plakette an die Hauswand des Zürcher Volkshauses zu hängen. Auch dies geschah erst nach der Premiere des Filmes.

 

Für eine Dreharbeit mit dem Spanienkämpfer Hans Hutter auf einem ehemaligen Schlachtfeld bei Boadilla, in der Nähe von Madrid, hatte ich damals bei der franquistischen Regierung um eine Drehbewilligung angefragt. Ich wusste, dass es für Filme, die die Sache der Republik verteidigen, keine Bewilligungen gab, also schrieb ich, dass es sich hier um einen Schweizer Touristen handle, der Reiseerinnerungen erzähle.

 

Die Schweizer Botschaft in Madrid, die ich naiver- und einfältigerweise von meinem Projekt informierte, hatte nichts Gescheiteres zu tun, als mich bei der spanischen Regierung zu denunzieren und als „Lügner“  hinzustellen, und informierte diese auch noch gleich darüber, dass die Schweizer Regierung daran sei, dem Film eine Subvention auszuzahlen. Der spanische Aussenminister intervenierte darauf bei seinem Schweizer Kollegen, dem Sozialdemokraten Pierre Graber, den er gut kannte, wie ich später erfahren habe, da die beiden Herren Nachbarn waren in ihren Villen auf der lieblichen Insel Mallorca. Der Graber unternahm sofort alles, um die Auszahlung der Subvention zu verhindern, diese wurde daraufhin effektiv suspendiert. 

 

Des Wartens müde und unruhig geworden, ging ich nach einigen Wochen zum sozialdemokratischen Nationalrat Walter Renschler, Präsident des VPOD, der sofort das Telefon in die Hand nahm, Graber anrief und ihm drohte, dass er eine Interpellation im Parlament mache, wenn der Dindo nicht sofort sein Geld bekomme. Zwei, drei Wochen später traf dieses dann endlich ein.

 

Das Schweizer Fernsehen hatte eine Mitfinanzierung abgelehnt, den Film aber schliesslich angekauft und in einer zensurierten Fassung ausgestrahlt.

 

Am Ende des Filmes habe ich den Spanienkämpfern die Frage gestellt, was ihrer Meinung nach Demokratie sei.

 

Hier ihre Antworten:

„Ich finde die Regierungsform der Demokratie ist die Beste fürs Volk, die es geben kann, oder sollte die Beste sein, wenn nicht grosse Industriegesellschaften (Konzerne) dreinreden oder direkt die Regierung beeinflussen, sodass die ihre Interessen wahrnehmen muss.“ (Emil Hächler, 1905 - 1977)

„Demokratie ist eigentlich ein Schlagwort, das in allen Farben schillert. In der Schweiz haben wir die bürgerliche Demokratie, die ist gekennzeichnet dadurch, dass die in der Verfassung verankerten Rechte und Freiheiten eigentlich nur von dem ausgenützt werden können, der Geld hat.“ (Helmut Zschokke, 1908 - 1978)

„Demokratie ist Freiheit ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.“ (Hans Nüssler, 1912 - 1982)

„Demokratie? Das ist die Revolution, wie wir sie gekannt haben in Barcelona im Sommer 36.“ (Lola Nüssler-Roya)

„Vor allem geistige Freiheit und, soweit es nötig ist, die wirtschaftlichen Freiheiten zu Gunsten der Allgemeinheit zu beschränken, die Bestimmung von dem, von unten nach oben.“ (Hans Hutter, 1913 - 2006)

„Demokratie? Das heisst Volksherrschaft, aber davon sind wir noch weit entfernt. Was wir haben, ist mehr für den Sonntag, aber was wir brauchen, ist eine Demokratie für den Werktag.“ (Johnny Linggi, 1915 - 1984)

„Demokratie, das ist so eine Regierungsform wie man es bei uns in der Schweiz am Anfang gedacht hat. Später ist es dann anders herausgekommen, weil eigentlich jetzt das Geld halt regiert.“ (Marie Gasser)

„Demokratie an sich existiert nicht. Demokratien sind immer an bestimmte Klassen- und Besitzverhältnisse gebunden. Wir haben eine bürgerliche Demokratie in der die Bourgeoisie die Macht hat.“ (Paul Thalmann, 1901-1980)

„Es sind doch die Wirtschafts- und Finanzinteressen, die über die grossen Probleme bestimmen und wo der kleine Bürger nichts zu sagen hat.“ (Clara Thalmann, 1908-1987)

„La démocratie? Voilà un mot creux, j’ai l’impression que c’est un mot creux qui ne veut rien dire du tout.“ (Fernand Jossevel, 1901 - 1991)

 

Man mag von diesen Antworten halten was man will. Sicher haben sie zum Teil ihre zeitbedingte, dogmatische Seite. Sie sind aber eine Art Querschnitt durch das „linke Denken“ des 19. und 20. Jahrhunderts und in diesem Sinne aufzunehmen. Sie zensurieren, heisst ihnen recht geben.


Das Schweizer Fernsehen jedenfalls wollte sie aus dem Film rausgeschnitten haben. Ich wurde vorgeladen und man hat mir erklärt, was ich sonst noch alles aus dem Film rausnehmen muss, zum Beispiel die beiden politischen Lieder.


Die Sache zog sich während eines Jahrs dahin. Am Ende wollten sie nur noch die Demokratie-frage weghaben. Alles andere hatte ich ihnen ausreden können. Ich gab dann meine Einwilligung für diese zensurierte Ausstrahlung, nicht zuletzt, weil ich davon ausging, dass das Zeigen meines Filmes am Schweizer Fernsehen eine Art „historische und politische Rehabilitation“ für die Spanienkämpfer bedeuten würde.

Ich veröffentlichte dann in der Woche der Ausstrahlung des Filmes das ganze Zensurdossier in der damaligen „Leserzeitung“, was einen ziemlichen Aufruhr in der Presse verursachte.  

Hans W. Kopp, der in jener Zeit eine Sendung leitete, die „Fernsehstrasse“ hiess, lud mich etwas später an eine Debatte über die Zensurgeschichte ein, während der die „Demokratiefrage“ auf roten Kartons mit schwarzer Schrift gezeigt wurde. Guido Frei, der Programmdirektor, hatte Kopp verboten, die direkten Ausschnitte aus dem Film zu zeigen. Frei war dann aber ganz kulant und jovial während der Diskussion, nicht zuletzt überrascht darüber, dass ich kein Messer zwischen den Zähnen hatte und auch sonst viel weniger schlimm war, als er sich offenbar vorgestellt hatte. Er drückte mir später beim Abschied sein Bedauern darüber aus, dass wir nicht schon früher miteinander geredet hatten...

 

(mehr darüber im beiliegenden Dossier)


Zur zensurierten Ausstrahlung im Schweizer Fernsehen

 

Fotos der Protagonisten

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